Sächsischer Bücherkoffer

Der Sächsische Literaturrat empfiehlt zehn bemerkenswerte Neuerscheinungen von Schriftsteller*innen, Dichter*innen und Übersetzer*innen in und aus Sachsen. Regelmäßig finden Veranstaltungen statt, bei der die Titel vorgestellt werden und eine Autorin oder Übersetzerin aus ihrem Buch liest. 

    Herbst 2025

  • Olav Amende: erosion

    In diesem Langgedicht beschleunigt sich die tägliche Routine einer Stadt. Die Geschehnisse intensivieren und überlagern sich, dann gerät etwas ins Rutschen. zwischen / weißklee und feldklee und / steinklee tummelt sich / das summen der hummeln und / das summen der bienen / das summen der / da drückt eine ballenpresse ackergras / durch einen presskanal und verdichtet es / zu rundballen zu quaderballen zu / da schmeißen sie in der einfahrt eines / eigenheimes tassen teller untertassen / und die smartphones vibrieren / und die automaten funkeln / und sie löscht / löscht / löscht In mehreren Anläufen zeichnet erosion gegenläufige Dynamiken unseres gesellschaftlichen Lebens auf. Alles ist miteinander verbunden, alles will akribisch festgehalten werden. Doch die Dinge verselbständigen sich, die Zeichen lösen sich. 

    Olav Amende *1983 in Berlin - studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Leipzig - ist Regisseur, Performancekünstler und Schriftsteller - schreibt und inszeniert Theaterstücke und veröffentlichte Texte in diversen Literaturmagazinen - lebt in Leipzig 

  • Ralf Günther: Ein grenzenloser Sommer

    Sommer 1988: Der zwanzigjährige Ronni und die Mittzwanzigerin Sabine lernen sich an Bord der MS Arkona kennen, einem Kreuzfahrtschiff der DDR. Sie ist Jurastudentin und reist in der gehobenen Klasse, er ist ein einfacher Steward. Sie lebt in Frankfurt am Main, er stammt aus Dresden. Ihre Reise führt sie nach Skandinavien, die großen Hafenstädte der Ostsee entlang, mit ausnahmslos westdeutschen Gästen, ostdeutscher Besatzung – und der Stasi an Bord.Ronni und Sabine fühlen sich bald zueinander hingezogen, obwohl ihre Lebenswelten so unterschiedlich sind. Treffen können sich die beiden nur heimlich. In der Schiffswäscherei tauschen sie sich über ihre Lieblingsfilme aus, über ihre Sorgen, ihre heimlichen Träume. Doch dann wird ihre Beziehung entdeckt, und die Staatssicherheit setzt Ronni unter Druck. Er muss sich entscheiden – für sein Land oder für die Liebe.

    Ralf Günther *1967 in Köln - entwickelte als Buch- und Drehbuchautor Kinderserien fürs Fernsehen - debütierte als Autor historischer Romane mit „Der Leibarzt" - es folgten unter anderem "Das Weihnachtsmarktwunder" sowie "Als Bach nach Dresden kam" - lebt in Pirna

  • Matthias Jügler (Hrsg.): Wir dachten, wir können fliegen

    Diese Anthologie versammelt literarische, ebenso humorvolle wie überraschende Beiträge von zwanzig der renommiertesten deutschsprachigen und internationalen Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie fragen: Wie lebten bestimmte verschwundene Tiere und Pflanzen? Was verbindet uns heute noch mit ihnen? Was machte sie einzigartig? Und was wurde ihnen zum Verhängnis? Begleitet durch farbige Illustrationen von Barbara Dziadosz gibt. „Wir dachten, wir könnten fliegen“ den verschwundenen Arten ein Gesicht und holt sie aus der Anonymität in unser Bewusstsein.

    Matthias Jügler *1984 in Halle/Saale - studierte Skandinavistik und Kunstgeschichte sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut - schrieb unter anderem die Romane „Raubfischen“ und „Die Verlassenen“ und „Maifliegenzeit“. - wurde mehrfach ausgezeichnet - lebt in Leipzig.

  • Anja Kampmann: Die Wut ist ein heller Stern

    Hedda hat sich ihren Traum erkämpft: Artistin im »Alkazar« auf der Reeperbahn. Doch nichts zählt mehr, als in den dreißiger Jahren die neuen Uniformen wie selbstverständlich im Publikum auftauchen. Die Freiräume werden enger und auch für die Mädchen im Varieté wird es gefährlich. Wem kann Hedda noch trauen? Ihr Bruder Jaan heuert als Harpunenschmied auf einem Walfänger an, für eine Fahrt in die Antarktis. Und auch Hedda sucht für sich und ihren kleinen Bruder Pauli nach Auswegen.

    Anja Kampmann
    *1983 in Hamburg - studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut - debütierte bei Hanser mit dem Gedichtband „Proben von Stein und Licht“ - ihr Romandebüt „Wie hoch die Wasser steigen“ wurde vielfach übersetzt - zuletzt erschien der Gedichtband „Der Hund ist immer hungrig“ - erhielt 2024 den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis - lebt in Leipzig

  • Verena Keßler: Gym

    Glänzende Spiegel, definierte Körper, legere Flirts am Tresen. Die Protagonistin in Verena Keßlers knalligem Roman liebt ihren neuen Job im MEGA GYM. Es gibt keinen Leistungsdruck, keine Überstunden, dafür liebenswerte Kolleginnen und einen Chef, der stolzer Feminist ist. Alles perfekt, wäre da nicht die klitzekleine Lüge, zu der sie sich im Einstellungsgespräch hat hinreißen lassen. Sie habe kürzlich erst entbunden, hat sie behauptet, und jetzt wollen alle Babyfotos sehen und fragen ständig nach „dem Kleinen“. Doch erst, als Bodybuilderin Vick auftaucht, wird klar, dass ein erfundenes Kind nicht das einzige Geheimnis dieser verschwiegenen Erzählerin ist. Eine Geschichte über Obsession, Ehrgeiz und die selbstzerstörerische Kehrseite schöner Oberflächen.

    Verena Keßler *1988 in Hamburg - studierte am Deutschen Literaturinstitut - ihr Debütroman „Die Gespenster von Demmin“ wurde mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium ausgezeichnet - zuletzt erschien von ihr der Roman „Eva“, für den sie den Literaturpreis „Der zweite Roman“ erhielt - lebt in Leipzig

  • Boris Koch: Schule des Schreckens Bd. 1 Die Gruftis sind los

    Ständig fallen bei Kilian die Unterrichtsstunden aus: Lehrermangel. Was Kilian nicht weiter stört, treibt seine Eltern in den Wahnsinn. So sehr, dass sie sogar umziehen und Kilian auf eine neue Schule schicken. Denn auf dem Internat Buchenschlag im Teufelsforst soll alles anders werden. Kilian und seine neuen Freunde Ole und Yunai erfahren ziemlich schnell, warum: Ehemalige Lehrerinnen und Lehrer des Internats haben zu Lebzeiten geschworen, die Schule zur Not auch über den Tod hinaus zu unterstützen. Und so steigen die Untoten tagsüber aus ihrer Gruft und unterrichten die Kinder mit teils unterirdischen Lehrmethoden.  Was irrwitzig klingt, ist genau das: manchmal irre, meistens witzig - findet zumindest Kilian. Doch andere sehen diesen Pakt nicht so gelassen und planen eine teuflische Verschwörung ... 

    Boris Koch *1973 in Augsburg - studierte mehrere Semester Alte Geschichte und Neuere Deutsche Literatur in München - lebte lange in Berlin - war Mitinitiator der phantastischen Lesebühne „Das Stirnhirnhinterzimmer“ - schreibt phantastische Literatur, unter anderem die Reihe „Der Drachenflüsterer“ – zuletzt erschien „Moorläufer. Im Reich der letzten Drachen“ - wurde mehrfach ausgezeichnet - lebt in Leipzig

  • Jan Kuhlbrodt / Maria Hefter / Sofia Hefter: Wäsche im Wind und Polizisten

    Landschaften sind von Menschen geformt und doch Gegebenheiten, in die Menschen hineingeboren werden und lernen – mehr oder weniger mühsam – darin zu navigieren. Es gibt Kontinuitätslinien. Und doch ständig auch Veränderungen. Sichtbar wird dies von Generation zu Generation – und diesen Linien spürt das ungewöhnliche Textalbum „Wäsche im Wind und Polizisten“ nach. Sozusagen in einem generationenübergreifenden Dialog trifft Autor Jan Kuhlbrodt auf seine beiden Töchter Maria und Sofia. Unterschiede werden austariert, aber auch Traditionen und Vergangenes, das verbindet. „Wäsche im Wind und Polizisten“ – das sind lyrische Korrespondenzen, auch zwischen Texten und Zeichnungen, die sich gegenseitig illuminieren.

    Jan Kuhlbrodt geb. 1966 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) - studierte Politischen Öko­nomie in Leipzig, Philo­sophie in Frankfurt am Main sowie am Deutschen Literaturinstitut - arbeitete als Lehrer in einem Projekt für straffällig gewordene Jugendliche und als Antiquar - war Herausgeber der Literaturzeitschrift EDIT - ist mehrfach ausgezeichneter Dichter und Autor - zuletzt erschien „Chemnitzer Trilogie“ - lebt in Leipzig

    Maria Hefter geb. 2001 in Leipzig - in der Leipziger Theaterszene aktiv, unter anderem im Theater der jungen Welt und im Schauspiel Leipzig - arbeitet an einem Musikprojekt an Text und Gesang - assistierte 2024 bei einem Kurzfilmprojekt im Bereich Kostümbild - lebt in Leipzig

    Sofia Hefter geb. 1999 in Leipzig - studiert Malerei, Zeichnung und Literatur - lebt mit ADHS und setzt sich bewusst dafür ein, die positiven Seiten dieser Neurodiversität zu zeigen - lebt in Leipzig

  • Alexander Leistner, Manja Präkels, Tina Pruschmann, Barbara Thériault: Extremwetterlagen

    2024 startete ein ungewöhnliches literarisch-soziologisches Projekt. Mit Manja Präkels, Tina Pruschmann und Barbara Thériault wurden drei namhafte Autorinnen als „Überlandschreiberinnen“ ausgeschickt, um die Stimmung in Ostdeutschland zu ergründen, verborgene gesellschaftliche Brüche und Kipppunkte sichtbar zu machen. So entstanden literarische Reportagen über die Normalisierung rechtsextremer Strukturen und Narrative, bedrohte Kulturvereine und Gedenkstätten, bizarre Infrastrukturprojekte in Ruinenlandschaften. 

    Tina Pruschmann *1975 in Gera - der Versuch, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen, führte sie in Juravorlesungen, an eine Förderschule, in eine psychiatrische Klinik und in das Lehrerzimmer einer Berufsfachschule - debütierte mit dem Roman „Lostage“ - zuletzt erschien “Bittere Wasser“ - lebt in Leipzig

  • Viktor Martinowitsch: Das Gute siegt

    Minsk, Sommer 2020: Während auf den Straßen Massenproteste gegen Lukaschenkos Regime toben, beginnt Matwej im Theater die Proben zu einem Stück über den Inquisitionsprozess gegen Jeanne d’Arc. Als plötzlich seine ehemalige Lehrerin inhaftiert wird und ihr Kater Heidegger zu verhungern droht, erklärt Matwej sich bereit, Heidegger zu retten. Dabei stolpert er unverschuldet zwischen die Fronten von Protestierenden und Staatsmacht. Unterwegs begegnet er der menschgewordenen Revolution in Form der Punk-Poetin Lady Di. Ihr Mittel des Widerstands? Worte. Ein bewegender Roman über die Kraft der Sprache und den Versuch, im Angesicht der Unterdrückung Mensch zu bleiben. 

    Thomas Weiler *1978 im Schwarzwald - studierte Übersetzung in Leipzig, Berlin und St. Petersburg - übersetzt aus dem Polnischen, Russischen und Belarussischen - erhielt u.a. den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Karl-Dedecius-Preis und den Paul-Celan-Preis - lebt in Markkleeberg

  • Linn Penelope Rieger: Zerbrochenes Feuer: Vulkane und das Ende der Welt

    Magma bildet den Glutkern unseres Planeten, und ohne die Eruptionen in Urzeiten gäbe es weder Kontinente noch Berge, weder Lebensräume noch Leben. Und doch sind Vulkane bedrohlich, nicht zuletzt, weil sich ihr Ausbruch selbst mit den modernsten Messgeräten weder räumlich noch zeitlich exakt vorhersagen lässt. So gehört der Vulkanismus zu jenen Naturphänomenen, deren unberechenbare geologische Gewalt immer neue Geschichten entfesselt hat. Darin geht es um menschliche Hybris, Furcht und Schönheit des Erhabenen und die allerletzten Fragen: Woher kommen wir, und wohin geht diese Welt? 

    Linn Penelope Rieger *1992 in Ilmenau - studierte Philosophie an der Universität Leipzig und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut - hatte verschiedene Lehraufträge - arbeitet als freie Literaturkritikerin und Autorin - zuletzt erschien „Abraum, schilfern“ - lebt in Leipzig

Der Sächsische Literaturrat empfiehlt zehn bemerkenswerte Neuerscheinungen von Schriftsteller*innen, Dichter*innen und Übersetzer*innen in und aus Sachsen. Regelmäßig finden Veranstaltungen statt, bei der die Titel vorgestellt werden und eine Autorin oder Übersetzerin aus ihrem Buch liest.